Das 7. Philharmonische Konzert mit selten gespielten Werken von Karl Weigl

Das 7. Philharmonische Konzert war in mehrfacher Hinsicht etwas ganz besonderes. 2 Dirigenten, 2 Solisten und selten gespielte Werke vom österreichischen Komponisten Karl Weigl: Florian Krumpöck war mit dem Klavierkonzert für die Linke Hand zu hören um nach der Pause den Geiger David Frühwirth mit Weigls Violinokonzert am Pult der Norddeutschen Philharmonie Rostock zu begleiten. Dem Abschluss machte Krumpöck mit dem Adagio aus der Symphonie Nr. 10 von Gustav Mahler.

Hier einige persönliche Gedanken Krumpöcks zu Karl Weigl:

Verehrte Musikfreunde,

Den meisten Musikliebhabern wird heute der Name Karl Weigl nichts mehr sagen. Zu gründlich haben die politischen Schreckenstaten des zweiten Weltkrieges dafür gesorgt, einen wesentlichen Teil einer ganzen musikalischen Epoche quasi auszulöschen. Viele ehemals hoch geschätzte Komponisten mussten Wien verlassen, verloren ihre kulturellen Wurzeln, ihre Heimat und viele von Ihnen ihr gesamtes Hab und Gut. Am Schlimmsten erging es denjenigen, die es nicht rechtzeitig nach Amerika oder beispielsweise Argentinien schafften. Werke der sogenannten „Theresienstädter Komponisten“ geben heute noch Zeugnis darüber, dass selbst in den Konzentrationslagern der Nazis noch bedeutende Werke jüdischer Komponisten entstanden. Nicht alle hatten das Glück, wie etwa E. W. Korngold, der ein angesehener Filmkomponist wurde, eine zweite grosse Karriere in Amerika starten zu können. Auch Karl Weigl, der von seinen Kollegen und Zeitgenossen hoch geschätzt wurde, ging nach Amerika, musste sich dort allerdings mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Auf seiner grossen Reputation, die er in Wien genoss, konnte er im komplett neuen Umfeld nicht aufbauen. Die kulturelle und menschliche Entwurzelung schlug bei ihm aufs Schärfste ein.

Die erste Bekanntschaft mit den Werken des Komponisten Karl Weigl machte ich über den damals sehr aktiven Orpheus-Trust in Wien, einer gemeinnützigen Vereinigung, die es sich zur Aufgabe machte, vieles von der vertriebenen jüdischen Kultur wieder in die Heimat zu holen. Dies geschah insbesondere durch den Kontakt zu sehr aktiven Musikern, denen ein ganzes Archiv an zumeist handschriftlichen Quellen zur Verfügung stand. Es wurde aber auch eine eigene Konzertreihe veranstaltet, die den Titel „Mit leichtem Gepäck“ trug und im Zuge derer viele Werke von Komponisten, die emigrieren mussten, Aufführungen, Erstaufführungen und sogar Uraufführungen erlebten. Ich entdeckte damals für mich beispielsweise die Klaviersonaten von V. Ullmann, die ich seither in mein Repertoire aufgenommen habe, aber auch zwei Werke von E. W. Korngold und E. Wellesz, die ich im Zuge meines Debüt-Klavierabends bei den Salzburger Festspielen uraufführte.

Und schliesslich das Klavierkonzert für die linke Hand von Karl Weigl:
Ein grosses Paket mit kopierten autographen Partiturseiten wurde mir mit der Bitte um Prüfung, ob man das aufführen könnte, übergeben. Nach der Widmung zu urteilen handelte es sich um eines der Klavierkonzerte, die für Paul Wittgenstein, den Bruder des Philosophen Ludwig Wittgenstein geschrieben wurden. P. Wittgenstein hatte im ersten Weltkrieg den rechten Arm verloren und bei mehreren Komponisten wie M. Ravel, P. Hindemith, S. Prokoffiew, F. Schmidt und anderen Werke in Auftrag gegeben. Die meisten davon hatte er allerdings nie gespielt. Einem eher konservativen Musikgeschmack zugetan, konnte er beispielsweise mit dem Werk von Prokoffiew reichlich wenig anfangen. Warum das Werk Weigls liegen geblieben ist, entzieht sich meiner Kenntnis, könnte aber in den enormen (leider nicht immer hörbaren) spieltechnischen Anforderungen begründet liegen. Autographe Einrichtungen Weigls in der Klavierstimme zur Aufteilung auf 2 Hände deuten an, dass es bei privaten Proben auf zwei Klavieren wohl sehr schwierig war, das mit einer Hand zu spielen.
Nach knapp 80 Jahren der Entstehung dieses Manuskript in Händen zu halten, erzeugte in mir sofort das Gefühl, Teil einer zutiefst berührenden Geschichte werden zu können. Mit dem einarmigen Pianisten P. Wittgenstein und dem später vertriebenen Komponisten K. Weigl stossen im Nachhinein gesehen zwei Schicksale aus zwei Weltkriegen aufeinander. Ich war sofort gefesselt von der Idee, die Uraufführung dieses Werkes zu spielen. In mühevoller Kleinarbeit wurde daraufhin das gesamte Notenmaterial erstellt und es kam 2002 tatsächlich im grossen Sendesaal des österreichischen Rundfunks mit dem RSO Wien unter H. Andreescu zu einer live übertragenen Uraufführung.

Seither war es mein Wunsch, eine geeignete Möglichkeit zu finden, das Werk einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und es auf CD einzuspielen. Da auch die orchestralen Anforderungen enorm sind, war es mir immer bewusst, dass dafür ein Orchester mit herausragenden spieltechnischen Fähigkeiten und dem Willen zu intensiver Auseinandersetzung mit dieser Musik gefunden werden muss. K. Weigl arbeitete in Wien als Assistent von G. Mahler an der Wiener Hofoper (der heutigen Wiener Staatsoper) und wurde von Mahler hoch geschätzt. Die Norddeutsche Philharmonie Rostock, die sich intensiv mit der Musik Mahlers auseinandersetzt, schien also ideal für dieses Unterfangen. Von Deutschlandradio Kultur, dem Geiger David Frühwirth, der bei unserem Konzert Weigls Violinkonzert von 1928 interpretieren wird, und einem renommierten CD-Label kam dann der entscheidende Vorschlag, das Violinkonzert, beide Klavierkonzerte, sowie die Sonate und zwei Charakterstücke für Violine und Klavier von Weigl auf CD einzuspielen. Durch diesen Vorschlag schloss sich für mich ein Kreis, der 2001 mit der Übergabe der autographen Partiturseiten seinen Anfang genommen hatte.

Nicht nur für mich, sondern sicherlich auch für die Nachkommen von K. Weigl, die extra aus Amerika zu unserem 7. Philharmonischen Konzert nach Rostock reisen, wird es also ein ganz besonderer Moment, wenn Deutschlandradio unsere Konzerte im grossen Haus aufnimmt und sie für eine CD-Veröffentlichung zur Verfügung stellt, die später weltweit vertrieben wird.

Es wäre mir eine ganz besondere Freude, wenn Sie bei diesem geradezu historischen Moment dabei sein könnten, die Entdeckung des Komponisten K. Weigl zahlt sich aus!

Mit den besten Wünschen grüsst Sie Ihr

Florian Krumpöck

GMD